Pressemitteilung

Treffpunkt Mediennachwuchs 2011



Politische Partizipation im Netz: Der Geist ist aus der Flasche

Leipzig, 4. Mai - Beim Treffpunkt Mediennachwuchs im Rahmen des Medientreffpunkt Mitteldeutschland diskutierten Experten das Thema "Politische Partizipation im Netz". "Parteien sind ein Tanker", so Grünen-Politiker Oliver Passek. Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Medien- und Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des ZDF Fernsehrats sagte, die Veründerungen durch die digitalen Medien seien für die Parteien natürlich immens. Hier gebe es auch eine Bewegung, die in Richtung Öffnung nach Außen gehe. Allerdings lasse sich nicht alles digital abbilden.

Für Blogger Michael Seemann ist klar, das Internet habe in vielen Bereichen zu einer dramatischen Komplexitäts-Erhöhung politischer Zusammenhänge geführt. Dem stünden die verschiedenen politischen Institutionen relativ monolitisch gegenüber. Hier lasse sich auch das Phänomen des Wutbürgers einordnen, so Seemann. Diese so genannten Wutbürger hätten gemerkt, dass mehr möglich sei als das traditionelle Partizipationsmodell. Allerdings gebe es ein sehr diffuses Gefühl der Ohnmacht. Hendrik Pistor, Referent für gesellschaftspolitische Jugendbildung bei der EKMD, sagte, viele Jugendliche interessierten sich zwar für Politik, seien sich dessen aber gar nicht bewusst. Hier versuche die EKMD in Projekten wie "WaehlerIsCH.de" zur Sachsen-Anhalt-Wahl auf Jugendliche zuzugehen. Eine Erfahrung sei: "Die Jugendlichen wollen sich immer stark selber darstellen", so Pistor. Und das am liebsten in ihren Facebook-Gruppen. Um sich dort einzubringen, müsse man in den sozialen Netzwerken "authentisch vernetzt" sein. Deshalb habe "WaehlerIsCH.de" bei SchülerVZ und anderen Plattformen nicht Fuß fassen können.

"Es gibt eine Reihe von jungen Leuten, die von den Politikern und vom politischen System frustriert sind", erklärte Wolf-Christian Ulrich, Moderator der crossmedialen Talkshow ZDF log in. Zugleich gebe es aber ein großes Interesse an politischen Problemen. ZDF log in stelle ein Thema ins Netz und die Jugendlichen hätten die Möglichkeit, einen Entscheider zu befragen, so Ulrich. Als Moderator habe er eine Übersetzerfunktion. Im Gegensatz zu den klassischen Talkshows, werde den Nutzern hier zugehört. Auch während der Live-Sendung gebe es für die Nutzer die Möglichkeit für Fragen. Über Twitter bekomme man ein gutes Feedback. Die Fragen der Nutzer würden aber ausgewählt. "Rechtsradikales will ich in der Sendung nicht haben." Die Politiker seien oft nicht daran gewöhnt, derart konfrontiert zu werden. "Die einfachen Fragen fordern am meisten." Zudem zeige das Beispiel "Stuttgart21", dass sich viele Medien "von unten etabliert" hätten. Das müsse politisch erkannt und genutzt werden.

Seemann betonte, die Entwicklung des politischen Systems sei eng an die Entwicklung der Medien geknüpft. Früher hätten Parteien große Strömungen zusammengefasst. Das löse sich aber auf. "Man muss einen großen Denkwandel vollziehen." Grünen-Politiker Passek entgegnete, Facebook und Youtube gehörten zu den Lebenswelten der Menschen. Das wüssten auch die Parteien und berücksichtigten das bei ihrem Wahlkampf. Natürlich schaue man von Deutschland in die USA. "Netzwahlkampf" sei aber auch hier ein etabliertes Instrument. Seemann fügte hinzu, bei den Menschen sei eine Erwartungsspirale in Gang gesetzt worden. "Da wird die Politik drauf reagieren müssen." Das könne zunächst nur über Transparenz funktionieren. Ob das ausreiche, sei fraglich. Die Bürger seien eben diffus unzufrieden. In den USA erlebe man die Tea-Party-Bewegung und damit eine Polarisierung. "Der Geist ist aus der Flasche", so Seemann. Es sei nicht sicher, wohin die Reise gehe.

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