Pressemitteilung

Treffpunkt Mediennachwuchs 2011



Kultur des Internets vom Kontrollverlust geprägt

Leipzig, 3. Mai 2011 - Die Kultur des Internets ist geprägt von Kontrollverlust der etablierten Anbieter, massiver Demokratisierung des Nutzerwillens und zugleich der Fähigkeit, Infos auch bewusst auszublenden. Zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer des Panels "Überall, jederzeit und umsonst - Verändert sich unsere Kultur?" beim Treffpunkt Mediennachwuchs im Rahmen des Medientreffpunkts Mitteldeutschland in Leipzig.

"Wir haben das Monopol längst aufgegeben - sehr viele Leute warten heute nicht mehr, bis Abends um 20 Uhr die Tagesschau kommt", sagte Daniel Fiedler, Koordinator bei ZDFkultur/3sat. Die Konsequenz sei etwa, fertig produzierte Inhalte sofort auf einem passenden von mehreren möglichen Kanälen zu verbreiten. Der neue Sender ZDF Kultur sei eine Antwort auf die Nachfrage nach alternativer Popkultur im Fernsehmarkt. "Das bleibt aber natürlich ein Spartensender und geht nur, weil wir das Geld nicht einspielen müssen. So können zum Beispiel Künstler durch unsere Sendelizenzen an deren Konzerten mitverdienen", sagte Fiedler. Etablierte Marktforschungsinstrumente wie Telefonumfragen seien für die junge Zielgruppe nicht mehr aussagekräftig. Der Erfolg des Projektes messe sich nicht in Quote, sondern in der Vermittlung einer popkulturellen Haltung.

Dieselbe Strategie verfolgt der Musikunternehmer Prof. Tim Renner, Geschäftsführer von Motor Entertainment. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man mit der Philosophie einer eigenen Haltung Geld verdienen kann", sagte Renner. Radikale Nutzerorientierung in der digitalen Welt bringe mit sich, dass sich der Nutzer in einem opportunistischen Kulturangebot nicht mehr zu Recht finde und Orientierung verlange. "Gerade weil es aber so wehtut, den Verlust der bisherigen Kontrolle über ein Medienangebot zu akzeptieren, sind die Widerstände etwa von Seiten der Musikindustrie gegen die digitale Kultur noch immer so groß", sagte Renner. Man müsse die neuen Möglichkeiten für individualisierte Plattformen und Kanäle nutzen. Das illegale, kostenlose Downloaden von Inhalten entstehe vor allem dort, wo es noch kein besseres legales Angebot gebe. Anbieter müssten indirekte Finanzierungswege im Internet finden, um die Kulturproduktion zu finanzieren. Möglich sei etwa, eine Flatrate von beispielsweise monatlich zehn Euro für einen schnelleren und qualitativ hochwertigeren Datenzugang zu bezahlen. "Es ist skandalös, dass sich die Musikindustrie noch immer gegen ein solches Modell wehrt und gerade kleine Künstler von diesem Erlösweg abschneidet", sagte Renner. Ein riesiger Vorteil sei es, dass Einzelne noch nie so einfach Zugang zur Öffentlichkeit gefunden hätten wie heute. Moderator Robin Meyer-Lucht, Leiter des BASE_camp, machte daraufhin den Praxistest. Auf die Frage, wer Renners Aussage zustimme, hoben fast alle Zuhörer die Hand. Als Meyer-Lucht aber im Anschluss fragte, wer der Meinung sei, dass er durch das Internet auch bessere Finanzierungsmöglichkeiten für sein eigenes Schaffen habe, blieben alle Hände unten. Kritische Töne schlug Guillaume Paoli an, der Hausphilosoph des Leipziger Centraltheaters. Was in einer segmentierten Gesellschaft an Breite dazukomme, gehe womöglich zugleich an Tiefe verloren, so Paoli. "Massengesellschaft bedeutet nicht nur Mediengesellschaft. Ich sehe die Herausbildung von vielen kleinen Communitys nicht uneingeschränkt positiv." Die Herausforderung sei heute vor allem, bewusst vom Netz zu gehen und selbst nachzudenken.

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